Mitte der 90er Jahre begab ich mich zum Weinkauf in eine Weinfachhandlung. Ich wollte mir einen Überblick über die württembergischen Rotweine der Oberklasse zu machen. Ich kaufte dort diverse Einzelflaschen namhafter Weingüter ein. Es gab Jahrgänge von 1988 bis 1992. Es waren viele gute bis sehr gute Tropfen darunter! Ein Rotwein hat mich durch seine Geschmacksintensität und Qualität a meisten beeindruckt.
Der aufgesuchte Weinhändler hatte diesen Tropfen als Geheimtipp besonders empfohlen. Ich dachte damals nur er wolle wahrscheinlich nur ein teureres Fläschchen Wein loswerden. Nach zwei Jahren der Lagerung im wohltemperierten Gewölbekeller, entkorkte ich die erste Flasche. Nach dem Entkorken und Dekantieren in eine Karaffe, ahnte ich am Duft des Korkens, dass es wohl ein sehr wuchtiger Wein sein musste. Dafür sprachen auch die 14% Alkohol auf dem Etikett!
Beim schwenken des großvolumigen Rotweinglases war im Gegenlicht durch die schwarzrote Farbe erkenntlich, dass sich etwas ungewöhnliches im Glas befand. Beim inhalieren der Geruchsstoffe erkannte ich den Duft von Brombeeren, Himbeeren und Lakritz. Seinen Höhepunkt offenbart dieser edle Tropfen, wenn er über die Zunge und den Gaumen geführt wird. Sein Geschmack ist von großer fruchtig herber Kraft mit einem sehr langen Nachhall, wie ich ihn bisher nur von edlen Bordeauxweinen kannte!
Eigentlich kann ein Samtrot gar nicht solch einen tollen Wein ergeben!? Es ist eine Rebsorte die durch eine Mutation des Schwarzriesling (Burgundersorte) stammt! Diese Rebsorten werden eigentlich für einfache hellrote Vesperweine angebaut. In Frankreich wird die Mullerrebe (=Schwarzriesling) beim Champagner in geringen Mengen beigemischt. Solch eine Spitzenqualität ist sehr überraschend. Sie kommt aber bestimmt nicht von ungefähr. Beim Jahrgang gab es äußerst günstiges Wetter, wodurch eine Auslese mit 14% trocken ausgebaut werden konnte. Das Weingut Neipperg ist auch im Bordeaux im Besitz von mehreren Weingütern. Das bekannteste davon ist Chateau Canon La Gaffeliere in Saint Emillion. Dazu gehört auch eine über 750 jährige Weinbautradition am schwäbischen Heimatstandort Schwaigern. Vor allem mit Österreich gab es schon vor einigen Jahrhunderten Handelsbeziehungen. Dadurch wurden österreichische Rebsorten wie der Blaufränkisch, in Württemberg Lemberger genannt, angepflanzt. All dieses Weinwissen ist offensichtlich in die Herstellung dieses edlen Rotweines geflossen. Kaum jemand hat die mögliche Qualität dieser Rebsorte richtig erkannt?! Allerdings scheint dies wohl auch nur in besonders guten Jahrgängen zu gelingen. D.h. bei dieser Rebsorte scheint der Qualitätsunterschied doch viel größer in der Spannbreite zu sein als bei vielen anderen Rebsorten.
Ich habe mir trotz eines Flaschenpreises von über 20€ noch einen kleinen Vorrat der Samtrot Auslese 1990 eingekellert. Inzwischen gibt es den 1990er nicht mehr im Verkauf. Inzwischen wird fast jährlich wenigstens eine Spätlese vom Samtrot angeboten, welche meist zu den Topweinen vom Weingut Graf Neipperg gehört.