Mitte der 90er Jahre war ich beruflich in Freiburg tätig. Bei der Suche nach einem Wohnort wurde ich in Bötzingen am Kaiserstuhl fündig. An den Wochenenden lag es nahe die Weine der Region bei verschiedenen Weinfesten und offenen Winzerkeller-Veranstaltungen zu verkosten. Unter der Woche führte mich mein Weg auch einige male in die Innenstadt von Freiburg. Dort mußte ich immer einen Blick in das Schaufenster der Weinhandlung Drexler werfen. Eines Tages entdeckte ich dort in der Auslage einen Chardonnay vom Weingut Johner aus Bischoffingen im Kaiserstuhl. Bis zu diesem Zeitpunkt wußte ich noch gar nicht, daß es in Deutschland Chardonnay gab, bzw. das solch einer schon angebaut wurde. In Deutschland dürfen nur Rebsorten angebaut werden, die zugelassen sind. Nach mehreren optischen Begutachtungen, betrat ich endlich den Laden und fragte nach den Preis einer 0,75l Flasche. Die 40 DM erschienen mir für einen deutschen Weißwein recht hoch angesetzt? Sicher waren die Weine, welche ich bisher von Johner verkosten konnte alle Spitze. Der Rivaner, Grauburgunder, Weißburgunder oder Weißburgunder mit Chardonnay waren alles Spitzenweine, welche aber preislich günstiger lagen.
Die Aussage des Verkäufers Ralph Schmidt, den Wein 10 Jahre zu lagern und erst dann zu öffnen, veranlaßte mich dann doch zum Kauf von zwei Flaschen. Da ich bisher immer sehr gut von Ihm beraten wurde, vertraute ich auch dieser Aussage und transportierte die zwei Flaschen wie eine rohes Ei nach Hause.
Nach einem Jahr Lagerung überwog dann doch die Neugier und ich mußte eine Flasche zum Verkosten öffnen. Beim Anblick durch eine helle Lichtquelle sieht man ein klares goldgelb mit leichten Perlen im Glas. Die Perlen gehören zum Stil der Johner-Weine, welche dadurch eine angenehme Frische erhalten. Ein mächtiger, fruchtbetonter und mineralisch, eleganter Wein mit langem Nachhall! Einfach hervorragend.
Zum Geburtstag meiner Frau im Jahre 2004 öffnete ich die letzte Flasche von diesem edlen Tropfen. Der goldgelbe Farbton erschien mir intensiver! Das perlen ist immer noch vorhanden, wenn auch in abgeschwächter Form. Die Nase erinnerte zunächst an Annanas ging nach einiger Zeit aber in Aprikosenduft über. Beim Verkosten bestätigten sich diese Geschmacksrichtungen. Nach etwa längerem atmen des Weines und etwas erhöhter Temperatur konnte man den Geschmack von Hasselnuss entdecken. Das Barrique-Holz und die geschmeidige Säure sind harmonisch und ausgewogen eingebunden. Der Nachhall ist sehr lang und scheint kaum zu enden! So etwas habe ich bei einem deutschen Weißwein noch nie erlebt! Dies kannte ich bisher nur aus besten Burgunderlagen aus Mersault und Puligny-Montrachet. Einfach perfekt!
Der Wein sollte bei 14-16 Grad genossen werden. Wird er kühler serviert, sind viele Duft und Geschmacksnuancen verschloßen. Durch das langsame erwärmen bei Zimmertemperatur erweitert sich bei diesem Wein das Duft und Geschmacksspektrum beträchtlich. Das Einlagern lohnt sich auf jeden Fall! Dies ist aber stark von den Möglichkeiten abhängig. Wer den Wein bei 12-14 Grad im Keller oder Gewölbekeller lagern kann, sollte ihn durchaus 8-12 Jahre reifen lassen. Wer nur einen wärmeren Keller hat, wo die Temperaturen auch im Sommer über 20 Grad steigen kann, sollte diesen Wein zwischen 5-8 Jahren aufgebraucht haben.
Der Preis für einen aktuellen Jahrgang liegt derzeit bei 25 Euro ab Weingut (Stand 08/2007). Dies ist nicht wenig. Im Vergleich zu Weinen aus dem Burgund aber meist noch um einiges günstiger!
Anfang des Jahres habe ich festgestellt, das der Gault Millau diesen Wein zum besten trockenen Weissen deutschen seines Jahrgangs gekürt hat.
Fazit: Wer eine Alternative zu den sehr teuren weissen Burgunder aus Frankreich sucht, wird an diesem deutschen Chardonnay sicher Gefallen finden! Er ist bereits schon in jungen Jahren gut geniessbar, gewinnt aber meist durch lagern an Finesse und Aromenvielfalt.
Bezugsmöglichkeit beim Weingut Karl-Heinz Johner oder im Wein-Fachhandel.